CRM als erfolgreiche Unternehmensstrategie braucht einen Paradigmenwechsel proklamiert Georg Blum, CRM-Experte, Hochschul-Dozent und Geschäftsführer der 1A Relations GmbH in seinem CRM-Manifesto. Er greift auf einen profunden Wissens- und Erfahrungsschatz aus über 30 Jahren sowie der Beratung von über 100 Unternehmen zurück und spricht mit uns im Interview über die nötigen Veränderungen in Unternehmen, um ein erfolgreiches Kundenbeziehungsmanagement zu gestalten.
Herr Blum, was hat sich im Kundenbeziehungsmanagement getan? Hat sich die Sicht auf den Kunden und die Zusammenarbeit mit ihm verändert?
Ja und nein, um persönliche Kundenbeziehungen aufzubauen, hat sich nicht viel verändert. Schon früher wurden Kundenbeziehungen nach dem „Tante-Emma-Prinzip“ intuitiv richtig gepflegt. Tante Emma kannte ihre Kunden, merkte sich ihre Vorlieben, pflegte persönliche Kontakte und konnte immer individuelle Produktempfehlungen aussprechen. Auch heutzutage ist das „digitale Tante-Emma-Prinzip“ ein Erfolgsfaktor für beste Kundenbeziehungen. Die eigene Zielgruppe zu kennen und individuellen Service authentisch rüberzubringen, sind die ausschlaggebend. Unternehmen, die Kundenorientierung heute intensiv leben, waren früher auch produkt-, markt- und wettbewerbsorientiert, um schlussendlich festzustellen, dass nicht der Wettbewerb im Fokus der unternehmerischen Denke stehen muss, sondern der Kunde. Es geht darum, wie ich mich als Unternehmen positioniere und welches Selbstbewusstsein ich z. B. bei der Preisgestaltung zeige. Hier ist es wichtig, dass der „Customer Value“ (Sicht des Unternehmens) und der „Value to the Customer“ (Sicht des Konsumenten) in Balance ist, und dass sowohl beim Kunden als auch beim Verkäufer positive Erlebnisse entsteht. Also, authentische Kundennähe, die automatisch entsteht, wenn die Aspekte Personalisierung, Identifizierung und Differenzierung in der Kundenbetreuung berücksichtigt werden.
Authentische Kundennähe – wie soll das bei B-to-B und im Massengeschäft funktionieren?
Nicht jedes Geschäftsmodell ermöglicht den engen und persönlichen Kundenkontakt und auch die vielen Möglichkeiten der Digitalwelt erschweren die individuelle Kundenkommunikation. Hier kommt die Automationsidee zum Einsatz: Kundennähe über vorhandene Daten und unter Zuhilfenahme von technischen Mitteln zu erzeugen. Manche Botschaften funktionieren digital und können wirkungsvoll sein. Doch Automation kann sich auch kontraproduktiv auswirken. Immer dann, wenn beim Empfänger das Gefühl entsteht, einer von vielen zu sein. Um das zu vermeiden, gilt es auch bei automatisierter Kommunikation so individuell wie möglich zu sein. Personalisierung, Individualisierung und Differenzierung sind die Erfolgsfaktoren. Heute ermöglichen moderne Tools eine Menge, z.B. die Berücksichtigung von Persona-Modellen oder unter Zuhilfenahme von KI (künstliche Intelligenz). Doch sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Basis für eine solch automatisierte Kommunikation gut gepflegte Daten sind. Zum Start reichen oftmals nur 15 Variablen aus, um Kundennähe zu schaffen und ein Gefühl der Individualisierung entstehen zu lassen. Und zwischendurch, genau zum richtigen Zeitpunkt, ein persönlicher Kontakt, der überzeugt und begeistert. Nur digital zu denken, wäre falsch. Es ist wichtig – heute wie damals – Kundennähe authentisch spürbar und – durchaus auch von Angesicht zu Angesicht (oder über den Telefonhörer) – erlebbar zu machen.
Werden sich die Kundenbeziehungen weiter verändern, wo geht die Reise hin? Auf was müssen sich Unternehmen heute schon vorbereiten?
„Weckt eure Personalabteilung!“ – Customer Experience und User Experience werden immer relevanter und sollten stets im Blick behalten werden. Unternehmen sollten sich prozessual, kulturell, kollaborativ, technisch und organisatorisch umstrukturieren und ihre Mitarbeiter hinsichtlich Kundenorientierung ausbilden bzw. befähigen. Geschäftsführer und Führungskräfte müssen ihrem Team Entscheidungsfreiheiten geben und Vertrauen schaffen, um eine selbstorganisierte Kundenorientierung im Unternehmen zu etablieren. Damit ist gemeint, dass jeder Mitarbeiter eigenverantwortlich sein sollte, intuitiv und ohne vorherige Abstimmung kundenorientierte Entscheidungen zu treffen. Denn CRM ist ein Mindset, das gelebt werden muss. Dazu muss es schnell gehen, ohne lange Rückfrage und Absicherung. Es braucht veränderte Organisationsformen und somit neue Positionen, neue Rollen, neue Ziele und meist auch neue Befähigungen innerhalb eines Unternehmens. Im ersten Schritt muss die Unternehmenskultur geändert werden, um im nächsten Schritt digitale Werkezeuge wie CRM einzuführen, die ihre Vision unterstützten. CRM-Lösungen, die den Mitarbeitern in ihren zum Teil neuen Rollen helfen, den Arbeitsalltag effizienter, intuitiver und kundenzentrierter zu gestalten.
Sind neue Tools, die Digitalisierung und technologische Entwicklungen wie KI die Lösung?
Ich sage immer: Die Software kann es, doch wichtiger ist, dass im Unternehmen die kundenorientierte Kultur verankert ist. Somit nein, die Digitalisierung ist nicht die Lösung. Die Digitalisierung ist Untertan und Unterstützer der Kundenorientierung. Klar ist, dass digitale CRM-Tools dabei helfen, mehr Freiraum für die persönliche und individuelle Kundenbetreuung zu gewinnen. Eine CRM-Lösung ist als digitaler Assistent im Arbeitsalltag ein unverzichtbares Werkzeug, um schnell, transparent und DSGVO-konform auf Kundeninformationen zuzugreifen und besten Service zu bieten. Jedoch funktioniert Kundenorientierung im Augenblick des Moments, wenn Entscheidungen im Sinne des Kunden getroffen werden. Schließlich werden Geschäfte immer noch zwischen den Menschen gemacht – und Digitalisierungsmaßnahmen bringen nichts, wenn der digitale Prozess nur dem Unternehmen, aber nicht dem Kunden einen Mehrwert bringt.
Sie gehen noch einen Schritt weiter und propagieren eine ziel- und kundenorientierte Organisationsform bis hin zu einem kundenorientierten Leadership Management. Wie sieht das aus?
Es geht darum, funktionsorientierte Unternehmensstrukturen (Stichwort: Funktions-Silos) aufzubrechen und eine Kundenmanagement-Organisation mit kundenorientierten Prozessen und Zielen zu etablieren. Die Ausrichtung jeder unternehmerischen Maßnahme sollte sich an den unterschiedlichen Ziel- und Kundengruppen orientieren. Dafür sollten diese nach klar definierten Regeln voneinander abgegrenzt sein. Beispielsweise haben Neu- und Bestandskunden unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse, die es zu erfüllen gilt. Im Prinzip kennt jeder einen Aspekt von Kundenmanagement: das Key-Account-Management. Nur zieht sich dieses Prinzip komplett durch das gesamte Unternehmen durch.
Alle Kunde bzw. Zielgruppen bekommen eine Zuordnung zu speziellen Kundenmanagement-Teams. Diese neuen Teams koordinieren nach innen alle Maßnahmen, die durch den Spezialisten von den einzelnen Fachabteilungen wie Marketing, Produktmanagement oder Service im Sinne des Kunden ausgeführt werden. Nicht jede Fachabteilung muss alle Kunden bedienen, sondern die Kundenmanagement-Teams Denken und Handeln im Sinne der entsprechenden Kundengruppe. Sie fungieren als internes Sprachrohr der Kundengruppe, sodass ein Silo-Denken der einzelnen funktionalen Abteilungen verhindert wird.
Eines ist sicher: Ein Unternehmen, das seine Prozesse und sein unternehmerisches Mindset nach den Bedürfnissen der unterschiedlichen Ziel- und Kundengruppen ausrichtet, erzielt automatisch die oben schon angesprochene Personalisierung und Individualisierung von Produkten und Service.
Gibt es mit dieser neuen Organisationsform schon Erfahrungen?
Leider gibt es aktuell nur wenige Unternehmen, die Kundenorientierung in allen Facetten leben und Kundenbindungen in den Vordergrund stellen. Aber diejenigen, die umgestellt haben, weisen extremes Wachstum auf. Vertriebserfolge vorwiegend anhand von Neukundengewinnung und -umsatz zu messen, ist falsch. Um sich in unserer kurzlebigen Zeit vom Wettbewerb abheben zu können, führt kein Weg an der Kundenorientierung und an langfristigen Geschäftsbeziehungen vorbei – das ist ressourcenschonender, nachhaltiger und trägt deutlich mehr zum Unternehmenserfolg bei. Um diesen Weg einzuschlagen, braucht es ein neues Leadership Management inkl. einer neuen Kultur und gemeinsamen Vision: „Wer bestehendes Denken ändern will, muss bestehende Strukturen zerstören.“ sagt Rupert Lay, Jesuitenpater und Management-Berater. Daher sage ich, es muss ein Paradigmenwechsel in den Unternehmen stattfinden.
Wie können mittelständische Unternehmen die Hürden einer organisatorischen Umstrukturierung überwinden?
Radikale Entscheidungen sind nie einfach. Wichtig ist, dass der Führungskreis an einem Strang zieht. Unternehmen sollten eine Pro- und Contra-Analyse durchführen: Was passiert, wenn ich mein Unternehmen neu ausrichte? Und was passiert, wenn ich es nicht tue? Dabei sollte auch das gesamte Team miteinbezogen werden, um alle Herausforderungen zu durchleuchten. Aus der einfachen Frage, was sollten wir ändern, um noch kundenorientierter zu sein, sprudeln sehr schnell Ideen zur Neuorganisation. Und diese Inspiration aus dem Team gilt es zu nutzen. Denn schließlich wird die gesamte Organisation verändert bzw. neu ausgerichtet. Dadurch erhält die Personalabteilung eine ganz wichtige Rolle: Sie muss die Mitarbeiter auf dem Weg zu ihren neuen Rollen und Verantwortlichkeiten begleiten, die Kompetenzen für neue Aufgaben stärken und befähigen.
Vor der Veränderung zurückzuschrecken, ist keine zukunftsfähige Option. Die Hürden werden nur überwunden, wenn man mutig ist und mit einem klaren Ziel losläuft. Wir alle mussten das Laufen lernen und wir alle haben es geschafft – es lohnt sich.
Ihr Fazit: Wann ist die Unternehmensstrategie CRM am erfolgreichsten? Und was raten Sie Unternehmen, um auf den Olymp der Kundenzentrierung zu kommen?
Die Vision und die Ziele geben die Richtung vor: Neben dem Kundenfokus ist das Einbeziehen der Mitarbeiter genauso wichtig, denn Mitarbeiterbindung ist Kundenbindung. Gehen Sie den Weg nicht allein, sondern holen Sie Ihr Team ab und segeln Sie gemeinsam los. Ganz wichtig dabei ist, dass Sie loslassen und Verantwortung für ein kundenorientiertes Arbeiten an Ihre Mitarbeiter übertragen. Trennen Sie nicht zwischen Marketing, Vertrieb und Service, sondern richten Sie sich nach Ziel- und Kundengruppen aus – brechen Sie das Silo-Denken auf. Scheuen Sie sich nicht, neue Positionen im Unternehmen zu etablieren und unnötige Stellen abzuschaffen. Haben Sie bei all ihren Digitalisierungsmaßnahmen stets den Kundennutzen im Blick. Und denken Sie nicht, dass nur durch die Implementierung einer CRM-Software Ihr Unternehmen sofort kundenorientiert agiert. Denn die CRM-Software ist nur ein Werkzeug, welches die Strategieumsetzung (und operative Maßnahmen) unterstützt. Eine kongruente kundenorientierte Unternehmensstrategie bzw. Unternehmenskultur führen zur absoluten Spitzenleistung: Denn zuerst kommt der Kunde, es geht nicht um interne Effizienz. Am Ende des Tages ist CRM mehr als nur eine Software – es ist ein Mindset.
Und ganz wichtig: Wenn die Vision im ganzen Unternehmen klar ist, dann kann jeder einen Beitrag für beste Kundenbeziehungen leisten und den nachhaltigen Unternehmenserfolg vorantreiben. CRM als Unternehmensstrategie ist dann am erfolgreichsten, wenn es in allen Facetten des Unternehmens angekommen ist.
Erfahren Sie mehr über die kundenorientierte Organisationsform: